Eine Community aus dem Nichts aufgebaut
Vom Stadtzentrum in Mafraq geht es über viele kleine Nebenstraßen in einen Vorort. Ab da geht es über unbefestigte Straßen weiter. Abu Abdullah und seine Community haben diese Sandstraßen selbst nahelegt. Während wir uns versuchen zu orientieren, welche Abzweigung wir nun nehmen, hält das Auto neben uns an: „Are you looking for Abu Abdullahs Camps? Follow us“. Im Auto sitzt einer von Abu Abdullas vier Söhnen mit einem Freund. Wir folgen den Pick-Up und gelangen auf direktem Wege in das kleine Dorf. Es ist ordentlich und aufgeräumt hier.
Über 100 Bäume gepflanzt
Drei Hauptstraßen führen durch das Dorf, an denen ähnlich aussehende Einfamilienhäuser stehen. Die Terrassen sind geschmückt und bepflanzt. Vor jedem Haus steht ein Fahrrad mit Körbchen, bereit für die nächste Fahrt. Eine idyllische Kleinstadt-Atmosphäre, die grüner erscheint, als der Rest in dieser Wüstengegend. Damit es hier so aussieht, hat Abu Abdullah lange geplant gearbeitet und verhandelt. Er hat zusammen mit seinen Nachbarn 100 Bäume gepflanzt.
Der in Syrien geborene und aufgewachsene Mann hat während des Krieges eine gesamte Nachbarschaft aus R. nach Mafraq verlegt. Es war ein steiniges Unterfangen. Der direkte Weg von seinem Heimatort in Syrien bis nach Mafraq würde gerade mal 2h dauern. Doch Abu Abdullas Familie und die Menschen, die sich ihm anvertraut hatten, mussten einen Umweg nahe der Irakischen Grenze wählen damals. Über 24h Stunden waren 66 Menschen auf der Ladefläche eines Pick-ups unterwegs. Nur mit dem Gepäck, was sie in einer Tasche tragen konnten. Von der jordanischen Grenze liefen sie zu Fuß weiter und kamen zuerst in das Zaatari-Flüchtling Camp.
Umzug in ein "Schloss"
Umm Marina sitzt neben ihrem Mann, während er uns in seinem Haus in Mafraq diese Geschichte erzählt. In dem Empfangs-Wohnzimmer. Goldene Gardienen hängen vor den Fenstern, wir sitzen auf gemütlichen Sofas. Die Tür klappert im Wind, und obwohl wir bei 30 Grad den in der Mitte stehenden Holzofen nicht mehr brauchen, hat es was Herbstliches in diesem Sturm. Durch das Fenster sieht man die Bäume sich im Wind biegen. Wort für Wort, Erinnerung für Erinnerung sieht sie die Geschichte, als ob es gestern gewesen ist. „Von dem Camp hier hin umzuziehen, war für mich wie der Wechsel in ein Schloss.“ Besonders mit vielen kleinen Kinder, war das Leben im Camp nur schwer erträglich.
Mittlerweile konnte Abu Abdullahs Community komplett in dem selbst erbauten Dorf ansässig werden. Es ist die gleiche Nachbarschaft, wie damals in Syrien. Nur in einem anderen Land. Mit viel weniger Mitteln. Mit einfacheren Häusern. Auf den Dächern liegen heute Autoreifen, damit das Dach nicht wegfliegt.
Abu Abdullah hat gemeinsam mit der jordanischen Regierung das Dorf als offizielle Wohnsiedlung registrieren lassen. Dies hat viele Vorteile: Die rund 52 Kinder in der Community können staatliche Schulen im nahegelegen Mafraq besuchen und werden von dem Schulbus abgeholt.
Kinder fahren mit dem Schulbus zur staatlichen Schule
Wasser- und Stromleitungen gibt es bis jetzt noch nicht – dafür hat Abu Abdullah Solarzellen errichten. Doch noch immer fehlen einige Parzellen, um den gesamten Strombedarf im Dorf zu Decken. Wasser wird mit dem LKW angeliefert. „Man hilft sich aus, wenn ein Wassertank leer ist, bevor die nächste Lieferung kommt, leihen wir uns selbstverständlich gegenseitig Wasser“, erklärt Abu Abdullah. Auf unserer Tour durch das Dorf zeigt uns Abu Adullah auch den Mast eines Windrades. Doch das ist leider zerstört wurden – durch heftige Sandstürme, die in Mafraq oft auftreten.
Zuerst lebte die Community auch auf diesem Land, welches sie günstig mieten, in Zelten. Nach und nach verkauften sie jeweils ein Zelt und bauten gemeinschaftlich ein Haus, wo dann mehrere Familien lebten. Mit dem Verkauf des nächsten Zeltens kam neues Geld in die Dorf-Kasse, das nächste Haus wurde gebaut. Einige Männer arbeiten in der Landwirtschaft, was zusätzliches Einkommen bringt. Heute leben alle 24 Familien in diesem Dorf in concrete Häusern.
Zum Schluss des Besuches treffen wir Abu Abdullas Sohn wieder. Er ist vor kurzem ausgezogen und hat geheiratet. Doch weit weg ist er nicht, er hat sein Haus neben das seiner Eltern gebaut.
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