Oder: Warum wir Ausreisen müssen
Sechs Monate haben wir es ohne Koffer-Packen ausgehalten. Und jetzt sind wir in Zypern gelandet. Aus einer Not heraus. Nämlich der, dass uns der Prozess um Johannas Aufenthaltsgenehmigung in Jordanien schwer gemacht wird. Da ihr Visum nun schon seit einigen Tagen abgelaufen war, haben wir nach unkomplizierten Möglichkeiten gesucht, einmal raus und wieder rein zu kommen, nach Jordanien. Also, am Flughafen die Strafgebühr für fünf Tage gezahlt und dann sitzen wir nach einem halben Jahr wieder im Flieger.
60 Minuten in die EU
In nur einer Stunde Flug erreicht man die Insel und eigenständige Republik Zypern. Das Land ist bis dato völlig an mir vorbei gegangen, aber jetzt ist es ein sehr verheißungsvolles Ziel. Es gehört zur EU und am Flughafen in Paphos können wir mit unseren biometrischen Pässen einfach am Scanner vorbei gehen. Alles sehr unkompliziert.
Für die nächsten Tage haben wir einen Leihwagen gebucht, der uns noch den letzten Nervenkitzel verschaffen wird, weil der Motor am letzten Tag nicht anspringt.
In Paphos erwartet uns eine schöne, einfache Ferienwohnung, direkt an der Promenade, und mit Meerblick. Gedankennotiz: Stimmt ja, so fühlte es sich an, wenn eine Stadt für Fußgänger gebaut wurde und nicht für Autos. (So wie Amman). Kilometerlang spazieren wir am Meer entlang. Kein einziges Hotel darf die Promenade unterbrechen. Keine einzige Unterbrechung im Bordstein stellt Gefahrenpotential für Kinderwagenreifen dar. Auf der anderen Seite muss man aber auch erwähnen: Nur ein einziges Restaurant hatte einen Kinderhochstuhl. Kein Spielplatz in Paphos. Keine Spielecken.
Kato Paphos: Die Unterstadt
So, nun aber Schluss mit den Vergleichen. Da wir schon um 8 Uhr vor Ort sind, steht uns der ganze Anreisetag zur Entdeckung zur Verfügung. Zunächst erkunden wir Kato-Paphos zu Fuß. Das ist die Unterstadt, also der Stadtteil, der direkt am Meer liegt. Hier reihen sich unzählig viele Restaurants und Souvenir-Shops aneinander. Auch gibt es viele wunderschöne Hotels. Man kann im Grunde von jedem Plätzchen an der Promenade ins Meer. Nachdem Johanna einigen Menschen zugeschaut hat, wie sie ins Meer eintauchen, will sie auch. Es ist November und Johanna badet das erste Mal im Mittelmeer.
Am Nachmittag fahren wir in die "Oberstadt". Den Übergang der beiden Stadtteile markiert eine, wenn man aus Amman kommt, kleine Mall...mit vielen international bekannten Marken. In der Oberstadt wohnen die lokalen Einwohner von Paphos, hier gibt es normalpreisige Supermärkte. Von hier schaut man auf das Meer hinab. Es gibt eine moderne Innenstadt mit vielen Bänken zum Verweilen. Wir parken auf dem großen Stadtparkplatz und fragen einen netten Zyprioten, ob er uns Kleingeld wechseln kann (so komisch mit Euro zu bezahlen). Anstatt zu wechseln, gibt er uns stattdessen sein Parkticket und wünscht uns einen guten Tag. In der Oberstadt gibt es auch einen "Old Town", ein überdachter Markt, der allemöglichen lokalen Produkte verkauft. Nagut, es ist auch viel aus China dabei. In Jordanien würde man so einen Ort einfach "Souq" nennen :)
Coral Bay: Beach Town deluxe
Am nächsten Tag fahren wir nach Coral Bay. Man munkelt, dass die Strände im Süden der Insel wie in der Karibik sind. Wir befinden uns im Westen, und dort soll angeblich Coral Bay einer der stönsten Strände sein. Wie auch alle Stadtstrände in Paphos selbst, ist es hier sehr sauber und das Wasser klar wie ein See. Wir bauen Sandburgen, lassen uns von Wellen fangen und Johanna traut sich heute schon ein paar Meter weiter rein. Die Straße, die zum Strand hinführt hat sich zur Flaniermeile entwickelt. Restaurants, Eisdielen, kleine Geschäfte und Postkarten gibt es hier. Am späten Nachmittag, als wir zurück fahren, hat schon fast alles geschlossen. "Typisch Europa", denken wir uns....wenn es in Amman erst so richtig los geht, ist hier schon Schicht im Schacht.
Aphrodite Nature Trail
Von vorne herein geplant war der gemütliche Spaziergang in der Nähe von Latsi (eine Stunde von Paphos) mit dem Namen "Aphrodite Nature Trail". Nagut, es war dann doch eher eine Wanderung. Okay, ein ziemlich anstrengendes Kletter-Abenteuer. So genau wussten wir nicht was uns erwartet. Wir haben auf die Zeitangabe im Internet vertraut und schieben es auf unsere schlechte Kondition, dass wir eine Stunde länger gebraucht haben. Aber wir haben ja auch ein kompaktes 14-Kilo Paket als Ausrede, dass Tobias und ich abwechselnd auf dem Rücken erst 3,5 Kilometer bergauf und dann 3,5 Kilometer steile Felsabhänge bergrunter getragen haben :)
Latsi, Polis & Mavralis Beach
Der Trail an sich ist wunderschön. Man blickt die ganze Zeit auf das türkisfarbene Meer und erkundet Gebiete, die man niemals mit dem Auto erreichen könnte. Auf dem Rückweg erkunden wir dann noch Latsi, ein verschlafener Beach-Town, und Polis, eine schöne Stadt, die für den Massentourismus wohl zu weit vom Airport entfernt liegt. Wir schaffen es tatsächlich, dass Johanna, trotz des Trubels und der Badegäste, auf dem Parkplatz am Mavralis Beach einen Mittagsschlaf im Auto macht. Tobias und ich wechseln uns mit der Mittagsschlafbetreuung im Auto ab, lüften regelmäßig durch und tupfen Schweißperlen weg. Es ist November, aber unser Sommer in diesem Jahr will einfach nicht enden ;)
Am Ende liegen am Mavralis Beach aber doch zu viele Steine und wir fahren nochmal einige Kilometer weiter. Unser eigentliches Ziel war der Polis Stadt-Strand. Dann verfahren wir uns aber und treffen rein zufällig auf einen anderen Strand. Glaubt es oder nicht, aber dies ist ein echter Glückstreffer. Es ist nicht nur der schönste Strand, sondern vielleicht auch der magischste Ort der Reise. Der Strand liegt am Campingplatz Chrisochous. Man fährt durch einen Wald und erwartet alles andere als Meer. Doch dann taucht aus dem Nichts dieser Traumstrand auf. Es gibt eine aus Holz gebaute Strandbar, in der ganz leise Musik läuft. Der Sand ist fein und weich, das Wasser warm und klar. Die Sonne taucht die ganze Kulisse in goldenes Licht. Wir holen Bier & Eis und fühlen uns unbeschwert. Hier ist so ein Moment, wo ich die Zeit am liebsten anhalten würde. Der Tag soll nicht enden.
Chrisochous: Bester Strand
Dann treffen wir durch Zufall noch auf eine andere deutsche Familie. Eine alleinerziehende Mutter von fünf Kindern, die auf Weltreise sind, aber seit einem Jahr in Zypern sind. Grund dafür ist, dass ihre geplanten Reiseziele noch nicht wieder "offen" sind.
Tobias hat im Internet noch ein weiteres Ausflugsziel herausgefunden. Undzwar der Felsen der "Aphrodite", dort wo sie angeblich geboren wurde. In Zypern ist einfach überall Urlaubsfeeling. Du fährst auf der Schnellstraße Stadtauswärts, doch mit dem ständigen Blick aufs Meer und der immer entgegen strahlenden Sonne fühlst du dich, als ob du auf geradem Weg zur Surfschule fährst :) Jede Kurve eröffnet einen neuen fantastischen Blick auf Felslandschaften, Klippen und einsamen Stränden.
Rock of Aphrodite
Wir sind die ersten auf dem Besucherparkplatz und auch die ersten, die in dem kleinen Kiosk heute etwas kaufen. (Eine Flasche Wasser und einen kleinen Traumfänger). Der Blick auf die Felsen und das extrem blaue Wasser ergeben eine tolle Mischung. Ein paar Zyprioten sind zum morgendlichen Schwimmen gekommen. Auch wir lassen uns keine Gelegenheit entgehen, ins Meer zu springen. Den Badeanzug haben wir schon seit Tagen immer in der Handtasche dabei.
Der Plan war jetzt eigentlich weiter bis nach Nicosia, der Haupstadt von Zypern, zu fahren. Auf der anderen Seite haben wir auf dem Weg zum Aphrodite-Rock so viele tolle Ecken entdeckt, wo wir gerne nochmal anhalten würden. Beides schaffen wir nicht. Was ihr noch nicht wisst: Zu diesem Zeitpunkt haben wir schon entschieden, dass wir über Weihnachten nochmal hierher fliegen....:) Deshalb entscheiden wir uns für eine spontane Planänderung und verschieben "Nicosia". Statdessen halten wir überall an, wo es einladend ausschaut. Klettern über eine kleine Anhöhe, entdecken weitere Strände, essen Eis am Straßenrand.
Paphos bei Nacht
Zurück in Paphos lassen wir den Urlaub ausklingen, so wie er angefangen hat. Mit einem Spaziergang durch die Stadt. Diesmal im dunkeln, was auch unglaublich schön und gemütlich und sich irgendwie weihnachtlich anfühlt. Wieder fällt uns auf: Leider haben die meisten Geschäfte schon zu.
Am nächsten Morgen geht es viel zu früh zurück nach Amman. Als wir zum Flughafen starten wollen, springt der Motor nicht an. Ein Alptraum für jeden Flugreisenden. Zumal wir aufgrund der Uhrzeit keinen Puffer eingebaut haben, um lieber länger zu schlafen. Glücklicherweise schafft Tobias es mit ein paar Tricks und im vierten Anlauf dann doch noch. Die nächste Challenge erwartet uns an der Tankstelle. Da diese noch geschlossen hat, muss man am Schalter zahlen. Wir und auch ein Pärchen aus den Niederlande stellen uns aber irgendwie zu doof an, und wir rennen alle hektisch hin und her und tauschen unsere Tipps aus. Na jedenfalls sind irgendwann alle Autos voll getankt und wir fahren weiter zum Flughafen.
Fazit der Reise: In einer Stunde Flug zurück in die EU und irgendwie auch nicht. Zypern ist eine fantastische Insel und ein spannendes Reiseziel. Eine geteilte Insel, durch die bis heute eine Mauer durch die Hauptstadt geht, die die Republik Zypern von Nordzypern trennt. Letzteres gehört zu Türkei, ersteres ist unabhängig. Eine Insel, die politisch zu Europa gehört und geographisch im Orient liegt und deshalb bis heute Subjekt eines strategischen Tauziehens ist. Eine Bevölkerung, die viele Identitätsfragen hat. Im Gyros-Restaurant gibt es stets zwei Wahlmöglichkeiten: Griechischer Gyros oder Zypriotischer Gyros. In so vielen Bereichen spürbar. Nicht nur beim Essen, wo griechisches Essen mit orientalischen Gewürzen abgeschmeckt wird. Hin- und her gerissen zwischen dem Ein und dem Anderen.
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