So viel Bargeld hatte ich noch nie in der Tasche. Wir sitzen im Büro eines Autohauses in Paderborn und verhandeln gerade über einen Gebrauchtwagen, den wir gerne kaufen würden. Getränke wurden uns bereits angeboten – "das ist ein gutes Zeichen", denke ich mir. Wir haben es etwas eilig, denn schon in 24 Stunden möchten wir auf dem Weg nach Dänemark sein. Tobias und ich haben unsere Europa-Rundreise durch sieben Länder schon komplett geplant (Also so gut, wie man eine Rundreise eben innerhalb einer Woche planen kann. Denn da kam uns erst die Idee). Nur das Auto fehlt noch. Auf den Preis einigen wir uns also, aber die Formalitäten? Der letzte Ölwechsel? Die Papiere – das alles binnen eines Tages: "Geht nicht", sagt der Verkäufer. Tobias und meine Blicke mussten scheinbar so traurig gewirkt haben, dass der engagierte Verkäufer nach ein paar hibelligen Telefonaten und hektischen Gesprächen mit Kollegen doch sagt: "Ok, dann holen Sie den Wagen morgen ab."
Was für ein schönes Gefühl, nicht auf Gepäckbegrenzungen achten zu müssen ;) Die Etappe von Paderborn nach Thorsminde in Dänemark halbieren wir durch einen Zwischenstopp in Flensburg. Bei Birger und seiner wundervollen Familie, die wir über Couchsurfing kenne gelernt haben, kommen wir unter. Am nächsten Tag dann endlich die Grenzüberquerung, wodurch sich richtiges Reise-Fieber bei uns einstellt.
In Thorsminde, das ist ein wirklich kleiner Ort, in dem nur ein paar Hundert Menschen leben, werden wir bereits von unseren Freunden erwartet. Nach den ganzen Aufregungen der vergangenen Wochen ist dieser beschaulicher Ort genau das richtige für mich. Ein Supermarkt, ein Imbiss – definitiv keine Reizüberflutung. In nur zwei Minuten bin ich am Strand. Zum Schwimmen ist es zwar schon zu kalt, aber die Spaziergänge entlang der Dünen sind umso schöner. Achja, zum Kitesurfen in der Nordsee ist es eigentlich auch zu kalt (und viel zu windig), was unseren Freund Markus trotzdem nicht davon abhält, einen Versuch zu starten.
Nach einer entspannten Woche, in der ich hauptsächlich drei Aktivitäten ausübte (den Männern beim Kiten zugucken, spazieren gehen und lesen), brechen Tobias und ich auf. Unser nächstes Ziel: Polen. Einmal quer durch durch Deutschland, überqueren wir eine weitere Grenze hinter Cottbus. Wir sind übermüdet und unser Sitzfleisch ist aufgebraucht. Bis nach Oppeln schaffen wir es nicht mehr. In Zary (im Nirgendwo) geben wir nach und übernachten in einem Hostel.
Am nächsten Tag erreichen wir Breslau. Eines meiner persönlichen Highlights auf dem Trip, einer der perfektesten Tage auf der ganzen Reise. Die Universitätsstadt versprüht positive Vibes. In der Innenstadt reihen sich alternative Restaurants und Cafes aneinander, deren Speisekarten genauso individuell wie das Interieur ist. Zum Frühstück entscheiden wir uns für ein Schoko-Acai-Müsli mit Kiwi-Smoothie. Als Snack auf die Hand gibt es später eine vegane Bubble-Waffel mit Früchten. Mittags speisen wir in einem vegetarischen Buffet-Restaurant. Den Nachmittagskaffee trinken wir sitzend in Sandsäcken einer Rösterei und abends gab es gluteinfreie Burger.
Oppeln. Das fühlt sich nicht nur wie Heimat an – das ist Heimat für Tobias. Er zeigt mit die beste Bäckerei und seinen Lieblingssupermarkt in seiner Heimatstadt. Für mich ist es etwas ganz besonderes, dass wir sogar in seinem früheren Elternhaus wohnen können. Die Zeit vergeht hier viel zu schnell. Wir besuchen Freunde und Verwandte von Tobias, sonnen uns am See und kaufen sogar schon Weihnachtsgeschenke, weil ich dem ausgefallenen Sortiment in der modernen Innenstadt einfach nicht widerstehen kann. Kurzerhand verlängern wir unseren Aufenthalt hier noch einmal um ein paar Tage.
Von Polen geht es für uns weiter in die Slowakei. Endlich kein Geld mehr umtauschen. Unser erstes Land, in dem wir mit Euros bezahlen können. Während Tobias unser
neues Auto geduldig über die löchrigen Landstraßen manövriert, buche ich mit dem Handy eine Unterkunft für uns in Bratislava, der Hauptstadt. Ich mache einen sehr guten Fang – wie sich in ein
paar Stunden herausstellen wird. Im "Chillhaus" haben wir ein riesiges Familienzimmer mit Terrasse und einem wahnsinnigen Ausblick über ganz Bratislava. Dieses gemütliche Hostel ist Ausgangspunkt
für diverse Spaziergänge und Stadterkundungen. Unser Bedürfnis am klassischen "Sightseeing" stillen wir mit einer ganz touristischen Stadtrundfahrt in einem Oldtimer-Bus. So bleibt mehr Zeit für
die wirklich wichtigen Dinge, die man eben in Bratislava so macht: Tobias gönnt sich eine Massage, ich gehe zur Maniküre. Begeistert sind wir beide vom
Brauhaus der Stadt. In ganz tollem, rustikalen Ambiente, kann man dort auf vier Etagen speisen. Zur Vorspeise gibt es eine Ziebelsuppe, die ganz traditionell (eines der Nationalspeisen) in einem
ausgehöhlten Brotlaib serviert wird.
Wie es weitergeht: In der allerletzten Sekunde fahren wir doch an der Ausfahrt nach Budapest vorbei und entscheiden uns lieber für ein paar ruhige Tage am Ballaton-See! Kroatien empfängt uns mit einem Volksfest und in Slowenien geht es auf Bären-Safari.
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